Das Betreibungsverfahren

Übersicht

Das Betreibungsverfahren ist das Verfahren zur Vollstreckung einzelner Geldforderungen in der Schweiz nach dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG). Gläubiger und Schuldner sind die im Gesetz verwendeten Bezeichnungen für die betreibende und die betriebene Partei des Betreibungsverfahrens. Die Verwendung dieser Ausdrücke bedeutet nicht, dass die behauptete Forderung bestehen muss.

Die Betreibung wird eingeleitet durch die Einreichung eines Betreibungsbegehrens beim Betreibungsamt. Dieses lässt dem Schuldner einen Zahlungsbefehl zustellen. Der Zahlungsbefehl beinhaltet die Aufforderung, die darin aufgeführte Forderung samt Zins und Betreibungskosten innert 20 Tagen an den Gläubiger oder an das Betreibungsamt zu bezahlen.

Der Schuldner ist berechtigt, innert 10 Tagen ab Zustellung des Zahlungsbefehls Rechtsvorschlag zu erheben. Dies bewirkt, dass die Betreibung nur fortgesetzt werden kann, wenn der Rechtsvorschlag durch ein gerichtliches Urteil (Rechtsöffnung) aufgehoben wird.

Wird kein Rechtsvorschlag erhoben oder ist durch Urteil die Rechtsöffnung erteilt worden, kann der Gläubiger frühestens nach 20 Tagen, spätestens innerhalb eines Jahres das Fortsetzungsbegehren stellen und dadurch die Fortsetzung der Betreibung veranlassen.

In der Fortsetzung der Betreibung unterscheiden sich die Betreibungsarten:
Im Handelsregister eingetragene juristische Personen, Inhaber einer Einzelfirma und unbeschränkt haftende Organe unterliegen der Betreibung auf Konkurs, alle anderen Schuldner der Betreibung auf Pfändung.

In der Betreibung auf Pfändung kündigt das Betreibungsamt dem Schuldner die Pfändung an und vollzieht diese, indem Vermögenswerte des Schuldners geschätzt und in der Pfändungsurkunde aufgeführt werden. Damit wird dem Schuldner bei Strafandrohung verboten, über die gepfändeten Vermögenswerte zu verfügen.

Frühestens einen Monat und spätestens ein Jahr nach der Pfändung kann der Gläubiger das Verwertungsbegehren stellen. Die Verwertung erfolgt in der Regel durch öffentliche Versteigerung. Der Erlös wird nach Abzug der Kosten unter den pfändenden Gläubigern verteilt.

Für die Forderungen, die im Betreibungsverfahren nicht gedeckt werden können, stellt das Betreibungsamt dem Gläubiger einen Verlustschein aus. Die darin verurkundete Forderung verjährt nach 20 Jahren.

Betreibungsbegehren

Das Betreibungsbegehren ist schriftlich an das Betreibungsamt zu richten oder mündlich am Schalter zu stellen und muss die Angaben enthalten, die im Formular «Betreibungsbegehren» enthalten sind. Das Formular lässt sich im Betreibungsschalter des Bundes online ausfüllen.

Zuständig ist das Betreibungsamt am Wohnort des Schuldners, bei im Handelsregister eingetragenen juristischen Personen an deren Sitz. Ausnahmen bestehen bei ungeteilten Erbschaften, im Ausland wohnenden Schuldnern und bei der Betreibung von pfandgesicherten Forderungen (Art. 48 ff. SchKG).

Die Forderung muss in Schweizerfranken angegeben werden. Forderungen in fremder Währung sind umzurechnen.

Der Forderungsgrund muss genügend klar umschrieben werden, dass der Schuldner erkennen kann, um welche Forderung es sich handelt. Insbesondere ist bei periodischen Forderungen (Mietzins, Lohn, Unterhalt usw.) anzugeben, auf welchen Zeitraum sich die Forderung bezieht. 

Zahlungsbefehl und Rechtsvorschlag

Der Zahlungsbefehl wird offen durch das Betreibungsamt oder durch die Post zugestellt. Mit Zustellung des Zahlungsbefehls beginnt die Frist von 10 Tagen, innert deren der Schuldner die Schuld bestreiten (Rechtsvorschlag erheben) kann.

Der Rechtsvorschlag muss schriftlich oder durch persönliche Erklärung gegenüber dem überbringenden Beamten oder am Schalter des Betreibungsamts erklärt werden. Wenn nur ein Teil der Forderung bestritten wird, ist der genaue Betrag anzugeben.

Der Rechtsvorschlag kann vom Schuldner jederzeit durch schriftliche Erklärung zurückgezogen werden. Ein zurückgezogener Rechtsvorschlag kann nicht erneut erhoben werden.

Beseitigung des Rechtsvorschlags (Rechtsöffnung)

Der Rechtsvorschlag kann nur durch Gerichtsurteil aufgehoben werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dies in einem einfachen und raschen Verfahren (summarisches Verfahren) erfolgen:

  • Provisorische Rechtsöffnung (Art. 82 ff. SchKG) wird erteilt, wenn die Forderung auf einer unterzeichneten oder öffentlich beurkundeten Schuldanerkennung beruht. Als solche gilt auch ein bereits ausgestellter Verlustschein. Da im Rechtsöffnungsverfahren keine umfassende Prüfung der Forderung stattfindet, hat der Schuldner die Möglichkeit, innert 20 Tagen nach der Rechtsöffnung durch Aberkennungsklage die Beurteilung der Forderung in einem ordentlichen Prozess zu verlangen.
  • Definitive Rechtsöffnung (Art. 80 f. SchKG) wird erteilt, wenn die Forderung auf einem vollstreckbaren Urteil eines Gerichts, einer rechtskräftigen Verfügung einer schweizerischen Verwaltungsbehörde oder einer vollstreckbaren öffentlichen Urkunde beruht. In einzelnen Fällen kann die definitive Rechtsöffnung auch durch eine Verwaltungsbehörde erteilt werden.

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, kann der Rechtsvorschlag nur in einem ordentlichen Zivilprozess aufgehoben werden.

Fortsetzungsbegehren

Ist kein Rechtsvorschlag erhoben oder dieser durch Gerichtsurteil beseitigt worden, kann der Gläubiger frühestens 20 Tage nach Zustellung des Zahlungsbefehls das Fortsetzungsbegehren stellen. Dieses Recht erlischt ein Jahr nach Zustellung des Zahlungsbefehls, wobei die Dauer eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens zur Aufhebung des Rechtsvorschlags nicht gezählt wird (Art. 88 SchKG).

Alle Gläubiger, die vor einem Pfändungsvollzug oder innerhalb von 30 Tagen danach das Fortsetzungsbegehren stellen, bilden eine Pfändungsgruppe, deren Mitglieder bei der Pfändung gemeinsam und gleichberechtigt berücksichtigt werden.

Pfändungsvollzug

Handelt es sich nicht um einen Schuldner, der der Konkursbetreibung unterliegt, so schreitet das Betreibungsamt zum Pfändungsvollzug. Die Pfändung findet nach Vorankündigung in Anwesenheit des Schuldners statt. Der Schuldner ist bei Strafdrohung zur Anwesenheit und Auskunftserteilung verpflichtet (Art. 91 SchKG). Über die Pfändung errichtet der Betreibungsbeamte eine Pfändungsurkunde, welche die gepfändeten Vermögenswerte und deren Schatzungswert enthält.

In den meisten Fällen ordnet das Betreibungsamt eine Einkommenspfändung an, wobei dem Schuldner das betreibungsrechtliche Existenzminimum belassen wird (Art. 93 SchKG). Bei dessen Berechnung orientieren sich die meisten Kantone an den Richtlinien der Konferenz der Betreibungs- und Konkursbeamten der Schweiz vom 1.7.2009.

Gewisse Vermögenswerte, wie unentbehrlicher Hausrat, Haustiere, Kultgegenstände, Berufswerkzeuge, AHV- und IV-Renten, Ergänzungsleistungen und nicht fällige Guthaben der beruflichen Vorsorge, sind generell unpfändbar (Art. 92 SchKG).

Bei der Pfändung von Lohn und anderen Guthaben werden die gepfändeten Beträge in der Regel direkt beim Schuldner der Leistung (Arbeitgeber, Bank) eingefordert. Gepfändete bewegliche Sachen verbleiben in der Regel beim Schuldner, solange kein Verwertungsbegehren gestellt wird.

Verwertung

Gepfändete bewegliche Sachen, Grundstücke und andere Ansprüche werden verwertet, wenn der Gläubiger das Verwertungsbegehren gestellt hat. Dazu ist er zwischen einem Monat und einem Jahr (bei Grundstücken zwischen sechs Monaten und zwei Jahren) nach der Pfändung berechtigt.

Das Verwertungsbegehren ist nicht nötig bei Barbeträgen und Forderungen, die das Betreibungsamt direkt einzieht.

Das Betreibungsamt kann einen Verwertungsaufschub bewilligen, wenn der Schuldner angemessene Ratenzahlungen leistet.

Die Verwertung erfolgt grundsätzlich durch öffentliche Versteigerung. Mit Zustimmung von Gläubigern und Schuldner ist auch ein freihändiger Verkauf möglich.

Nach der Verwertung verteilt das Betreibungsamt den Erlös nach Abzug der Kosten unter den Gläubigern der gleichen Pfändungsgruppe. Können die Forderungen nicht vollständig gedeckt werden, erstellt das Betreibungsamt einen Kollokationsplan mit Verteilungsliste und teilt die Gläubiger in die Klassen gemäss Art. 219 SchKG ein:

  • Vorrang geniessen Lohn- und Unterhaltsforderungen der letzten sechs Monate und Forderungen der Pensionskassen (1. Klasse);
  • danach werden u. a. die Beitragsforderungen der Sozialversicherungen gedeckt (2. Klasse);
  • alle übrigen Forderungen werden an letzter Stelle gedeckt (3. Klasse).

Betreibung auf Konkurs

Im Handelsregister eingetragene juristische Personen, Inhaber einer Einzelfirma und unbeschränkt haftende Organe unterliegen der Betreibung auf Konkurs und unterliegen nicht der Pfändung, mit Ausnahme der Betreibung für gewisse öffentlich-rechtliche Forderungen und für Unterhaltsbeiträge (Art. 43 SchKG). In diesen Fällen droht das Betreibungsamt dem Schuldner nach Eingang eines Fortsetzungsbegehren den Konkurs an (Konkursandrohung).

Wird die Forderung nicht innerhalb von 20 Tagen nach Zustellung der Konkursandrohung beglichen, kann der Gläubiger beim zuständigen Konkursgericht das Konkursbegehren stellen.

Kosten

Zur Deckung der Kosten der Betreibungs- und Konkursverfahren werden Gebühren erhoben. Diese richten sich nach der Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (GebV SchKG).

Die Kosten eines Zahlungsbefehls oder einer Konkursandrohung betragen:

Forderung CHFGebühr CHF
bis 10021.00
über 100 bis 50034.00
über 500 bis 1'00054.00
über 1'000 bis 10'00074.00
über 10'000 bis 100'000104.00
über 100'000 bis 1'000'000      204.00
über 1'000'000414.00


Bei aufwändigen Zustellungen entstehen weitere Kosten, die dem Gläubiger in Rechnung gestellt werden.

Die Kosten der Pfändung werden vorab durch das Ergebnis der Verwertung gedeckt. Der Gläubiger haftet jedoch für die Kosten, falls die Pfändung nicht durchgeführt werden kann oder das Ergebnis der Verwertung nicht ausreicht.

Der Gläubiger, der das Konkursbegehren stellt, hat einen Kostenvorschuss für die Gerichtskosten zu leisten und haftet für die Kosten des Konkursverfahrens bis zur Einstellung mangels Aktiven, wenn die Konkursmasse dafür nicht ausreicht; das Gericht kann dafür ebenfalls einen Vorschuss verlangen.